Finnland
- Deutschland (2:2) 3:3
Spielort: Olympiastadion, Helsinki
Zuschauer: 37.150
FIN:
Jääskeläinen - Lampi, Pasanen,
Hyypiä, Kallio - R.Eremenko, Heikkinen - J.Johansson,
Väyrynen (75. Kuqi), Kolkka - Forssell (41. Sjölund)
GER: Enke - Fritz
(82. Hinkel), Tasci,
Westermann, Lahm - Rolfes (82. Helmes), Hitzlsperger (69. Gomez) -
Schweinsteiger, Trochowski - Klose, Podolski
Tore:
1:0 J.Johansson (32., Rechtsschuss, Vorarbeit Eremenko),
1:1 Klose (38., Linksschuss, Vorarbeit Trochowski),
2:1 Väyrynen (43., Rechtsschuss, Vorarbeit Sjölund),
2:2 Klose (45., Rechtsschuss),
3:2 Sjölund (53., Kopfball, Vorarbeit Väyrynen),
3:3 Klose (83., Linksschuss, Vorarbeit Gomez)
Schiedsrichter: Viktor Kassai
(Ungarn)
Nach
Ausflügen nach Dänemark, Norwegen und Schweden sollte
es in
dieser Woche auch endlich zum vorletzten fehlenden Ziel in Nordeuropa,
nämlich nach Finnland, gehen, um den dortigen
Länderpunkt einzufahren. Nachdem ich in jenem Sommer im Juni
vergeblich noch auf einen Ausflug zum EM-Halbfinale nach Basel oder zum
EM-Finale nach Wien gehofft hatte, weil das preislich einfach alles
viel zu teuer gewesen wäre, hatte ich mich relativ schnell
entschieden, dafür dann als Ersatz in jenem September Finnland
mit dem WM-Qualifikationsspiel der DFB-Auswahl anzusteuern. An diesem
frühen Mittwochmorgen flog ich deshalb mit einer kleinen
Lufthansa-Maschine von Düsseldorf zunächst in einer
Stunde nach Kopenhagen. Nach kurzem Zwischenstopp in der
dänischen Hauptstadt ging es direkt mit Scandinavian Airlines
weiter in einer weiteren Stunde nach Helsinki, dem Ziel des Tages. Vom
Flughafen nahm ich den Bus 615, der mich in 30 Minuten direkt ins
Zentrum der finnischen Hauptstadt brachte.
Gegen Mittag erreicht ich also
Helsinki, und vom Busbahnhof lief ich - noch ganz altmodisch mit dem
Stadtplan in der Hand, wie man das damals halt so machte - einmal quer
durch die Innenstadt, bis zum Hafen, wo ich ein Hotelzimmer
für eine Nacht gebucht hatte. Beim Einchecken ins Hotel fiel
mir gleich auf, dass der Großteil der Gäste
anscheinend deutsche Fußballfans
waren. Die Lobby war jedenfalls voll von Fans mit
DFB-Fanutensilien, und auch
auf dem Parkplatz vor dem Hotel bildeten die Autos mit deutschem
Kennzeichen
eine deutliche Mehrheit. Mit dem Hotel war ich jedenfalls voll
zufrieden, denn von meinem Zimmer aus hatte ich einen
schönen Blick über den Hafen, wo die großen
Fähren, zum Beispiel Richtung Tallinn, Stockholm oder
Travemünde, abfahren, sowie auf
den großen Marktplatz, der genau gegenüber des
Präsidentenpalastes liegt.
Natürlich war
zunächst mal
Sightseeing angesagt. Sehr
schön ist das Wahrzeichen Helsinkis, der Dom, mit dem
Senatsplatz
davor und der alten Universität daneben. Sehr eindrucksvoll
wirkt
auch der Hauptbahnhof (auf finnisch: "Helsingin
päärautatieasema")
aus finnischem Granit, mit riesigen Statuen davor. Eine der
Flaniermeilen heißt "Aleksanterinkatu", benannt nach dem
russischen Zar
Alexander I., die ebenso aus der russischen Besatzungszeit
stammt, wie der fürstliche Wartesaal im Hauptbahnhof und viele
weitere Gebäude, wie auch die große
russisch-orthodoxe
Kathedrale in Hafennähe. Vor der Eroberung durch Russland war
Helsinki eine eher unbedeutende Hafenstadt und Turku die finnische
Hauptstadt und das Zentrum des Landes. Weil Zar Alexander I. das im
äußersten Südwesten gelegene Turku aber zu
weit weg war, bestimmte er 1812 einfach Helsinki zur neuen finnischen
Hauptstadt. Mit Carl Ludwig Engel war damals Anfang der 1830er Jahre
ein deutscher Architekt beauftragt worden, mit Helsinki architektonisch
ein zweites St. Petersburg zu erschaffen. Ganz gelungen ist
das aber meiner Meinung nach nicht. Insgesamt ist die Architektur in
Finnland bis auf die wenigen Überbleibsel des Klassizismus aus
dieser Zeit am freundlichsten noch mit funktional beschrieben. Oftmals
hatte ich das Gefühl, eher irgendwo im Ost-Berlin der 1980er
Jahre zu sein. So stelle ich mir das jedenfalls vor. Auf der
großen Shoppingmeile Helsinkis liegt
auch das Kaufhaus "Stockmann", dass das größte
Kaufhaus in
den nordischen Ländern ist und von einem deutschen Auswanderer
aus
Lübeck gegründet wurde.
Vor der russischen
Besatzungszeit hatte Finnland viele Jahrhunderte zu Schweden
gehört. So ist neben Finnisch auch immer noch Schwedisch, das
etwas mehr als 5 % der gesamten Bevölkerung als ihre
Muttersprache ansieht, die zweite offizielle Amtssprache in dem
nordeuropäischen Land. Jede finnische Gemeinde ist entweder
finnischsprachig, schwedischsprachig oder zweisprachig. Helsinki
gehört historisch zum Siedlungsgebiet der Finnlandschweden im
Süden des Landes und deshalb ist dort alles komplett
zweisprachig auf Finnisch und Schwedisch ausgeschildert, was einem die
Orientierung doch sehr erleichtert, weil sich aus den meisten
finnischen Wörtern auch nicht im geringsten
schließen lässt, was sie denn in etwa bedeuten
könnten. Der finnische Name "Helsinki" wird für die
Stadt auch erst seit dem Jahr 1812 verwendet, als man erstmals
Hauptstadt Finnlands, als Teil des russischen Reiches, wurde.
Gegründet wurde die Gemeinde unter dem schwedischen Namen
"Helsingfors", den die Nachbarstaaten Norwegen und Schweden auch
heutzutage immer noch als alleinigen Namen für die finnische
Hauptstadt verwenden. Mit 650.000 Einwohnern ist Helsinki aktuell die
mit Abstand größte Stadt Finnlands, und die
drittgrößte in Nordeuropa nach Stockholm und Oslo.
Im Ballungsraum Helsinki leben mehr als 1,5 Millionen
Menschen, also fast ein Viertel der
Gesamtbevölkerung.
Vom
Hotel aus ging es schließlich am Abend zu Fuß in
ca. 30 Minuten zum alten
Olympiastadion Helsinkis. Die schöne, alte Schüssel
ist das größte Stadion Finnlands und wurde von 1934
bis 1938 erbaut, eigentlich für die Olympischen Sommerspiele
1940, die wegen des Zweiten Weltkriegs aber ausfielen. 1952
schließlich wurden die Olympischen Sommerspiele in Helsinki
nachgeholt, mit dem Olympiastadion als wichtigstem Austragungsort.
Während der Ground 1952 noch bis zu 70.000 Zuschauern Platz
bot, war es 2008 nur noch für 40.000 Besucher zugelassen. In der Welt der modernen
Arenen, die alle fast
identisch aussehen, strahlt das Olympiastadion von Helsinki mit seinen
harten Holzbänken einen Hauch von Nostalgie und
Einzigartigkeit
aus. Dieses Stadion wird allerdings in Sachen Fußball auch
nur noch für
Länderspiele der finnischen Nationalmannschaft genutzt. Der
wichtigste Hauptstadtklub HJK Helsinki
trägt seine Heimspiele direkt nebenan in einer modernen Arena
aus,
die aber mit einer Kapazität von 10.000 Plätzen
für
Länderspiele zu klein ist. Andersherum wäre das
Olympiastadion für den finnischen
Fußball-Rekordmeister auch viel zu groß, weil sie
selbst ihre kleine Arena nur selten einmal füllen
können. Weitere Höhepunkte in der Geschichte des
Olympiastadions waren sicherlich die Leichtathletik-Weltmeisterschaften
1983 und 2005, sowie die Fußball-Europameisterschaft der
Frauen im Jahr 2009, wo die deutschen Frauen das Finale in Helsinki mit
6:2 gegen England gewinnen konnten.
Das Spiel selbst, das Duell
Finnland gegen Deutschland in der WM-Qualifikation, übertraf
jedenfalls alle meine Erwartungen. Das war zwar nicht sehr schwer, weil
ich so gut wie keine Erwartungen an diesen Kick hatte, aber es sollte
ein denkwürdiges und sehr torreiches Spiel werden, an das ich
mich sehr gerne erinnere. Denn gleich dreimal war der krasse
Außenseiter aus Finnland in diesem Spiel in Führung
gegangen, und gleich dreimal konnte das DFB-Team ausgleichen, jeweils
in Person von Miroslav Klose, der vorher noch stark in der Kritik
stand, weil er seit einigen Monaten nicht mehr für Deutschland
getroffen hatte. Vier Tage zuvor hatte Deutschland sein erstes Spiel in
dieser Qualifikation mit 6:0 im Fürstentum Liechtenstein
gewonnen. Für Finnland
war es dagegen der erste Auftritt in der Qualifikation für die
Fußball-WM 2010 in Südafrika.
Bei beiden
Teams sah man
eine starke Offensive und eine schwache Defensive; so entwickelte sich
ein sehr interessantes und überraschenderweise sehr offenes
Spiel. Die erste Hälfte ging ganz
klar an die Finnen, die in den ersten 30 Minuten das deutsche Team mit
viel Offensiv-Power überraschten. Sehr stark
präsentierte
sich vor allem die Offensiv-Reihe mit Johansson, Väyrynen und
dem
früh eingewechselten Sjölund. Jonatan Johansson von
Malmö FF gelang in der 32. Minute das verdiente 1:0, nur sechs
Minuten später erzielte Klose den Ausgleich. Kurz vor der
Pause
gingen die Gastgeber erneut verdient in Führung, durch
Väyrynen, aber keine zwei Minuten später, noch vor
dem
Pausenpfiff, gelang Klose erneut der Ausgleich zum 2:2. In der zweiten Halbzeit
gelang den Gastgebern wiederum der bessere Start. In der 53. Minute
ging man durch ein Kopfball-Tor von Sjölund mit 3:2 zum
dritten Mal in diesem Spiel in
Führung. Aber danach spielte eigentlich nur noch die
DFB-Auswahl.
Allerdings erst, als das defensive Mittelfeld (Hitzlsperger und Rolfes)
durch zwei neue Stürmer (Helmes, Gomez) ausgetauscht wurde,
wurde
es richtig gefährlich für die Finnen. Und so gelang
Miro
Klose sieben Minuten vor dem Abpfiff doch noch der wichtige
Ausgleichstreffer.
Überraschend gut
war der Support der finnischen Anhänger. Einige Hundert hatten
sich vor dem Spiel am Hauptbahnhof vor einem Pub getroffen, um sich
warm zu
singen und gemeinsam zu Fuß zum Stadion zu gehen. Obwohl man
Stadien mit Laufbahnen meist als Stimmungstöter bezeichnet,
war
die Stimmung wirklich hervorragend, weil neben dem Supporterblock auch
die restlichen Tribünen immer wieder gut mitgingen. Immer
wieder hallte es
"Suomi, Suomi" von den Rängen. Die Stimmung bei den ca. 1.000
deutschen Anhängern war dagegen eher mau.
Miroslav
Klose
verhinderte mit seinem Ausgleichstor in der 83. Minute das
Reißen
gleich mehrerer Serien. Noch nie hatte Deutschland ein
WM-Qualifikationsspiel auswärts verloren, und noch nie hatte
das DFB-Team auf finnischem Boden verloren (Stand 2008: neun Siege und
vier Unentschieden aus Sicht des DFB-Teams) und die
einzige Niederlage Deutschlands gegen Finnland hatte es im Jahr 1923,
also vor mittlerweile 85 Jahren, gegeben.
Bereits am Donnerstagmorgen
ging es für mich wieder zurück, wieder mit
Scandinavian Airlines und Lufthansa und einem kleinen Zwischenstopp,
dieses Mal in der schwedischen Hauptstadt Stockholm,
um mittags wieder Düsseldorf und am frühen Nachmittag
wieder die schönste Stadt der Welt zu erreichen.
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